Alle wissen: Unser Schulsystem muss besser werden. Die Leistungen stagnieren, Chancen sind ungleich verteilt, zu viele junge Menschen und Lehrkräfte fühlen sich nicht wohl. Kaum jemand bestreitet, dass sich etwas ändern muss – und sogar darüber, was sich ändern sollte, herrscht weitgehend Einigkeit: mehr überfachliche Kompetenzen, individuelles Lernen, souveräner Umgang mit digitalen Medien, eine zeitgemäße Ausbildung von Lehrkräften.
Das Problem ist nicht das „Was“, sondern das „Wie“. Analysen, Studien und Positionspapiere gibt es zuhauf – auch von unserer Stiftung. Doch sie allein verändern keine Wirklichkeit. „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“, heißt es dann oft. Richtig. Aber was folgt daraus?
Unser Bildungssystem ist reich an Expertise für das „Was“. Aber weiß es auch, wie Wandel gelingt – flächendeckend, nachhaltig und lernend? Kann es das, was es von Schüler:innen verlangt – kontinuierlich lernen, Fehler reflektieren und sich verbessern – auch selbst? Wir meinen: noch nicht.
Mit ihrem neuen Projekt Change Learning setzt die Bertelsmann Stiftung genau hier an. Unser Ziel: ein lernendes Schulsystem. Darunter verstehen wir ein System, das Strategie- und Veränderungskompetenz entwickelt – vom Klassenzimmer bis zur Verwaltung und in die politische Spitze hinein. Dazu gehören:
- klare, kohärente Ziele,
 - funktionierende Koordination und die Ausbildung echter Verantwortungsgemeinschaften
 - Daten als Ressource für gemeinsames Lernen statt als Kontrollinstrument,
 - eine Balance aus Eigenständigkeit und Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren und Ebenen des Systems,
 - Führung, die zum kontinuierlichen Lernen inspiriert und befähigt,
 - und Akteure, die ihre eigene Veränderungskompetenz stärken.
 
Change Learning ist für uns mehr als ein Projekt. Es ist ein neuer strategischer Ansatz, und auch ein Paradigmenwechsel für die Arbeit der Bertelsmann Stiftung im Schulbereich. Wir setzen konsequent auf nachhaltige Lösungen statt auf schnell verhallende Appelle. Und wir wollen im gesamten Schulsystem einen Diskurs über die geeigneten Mittel und Wege anstoßen, die zu diesen Lösungen führen – und sie in die Praxis übersetzen.
Wir arbeiten dabei nicht am grünen Tisch, sondern direkt mit Schüler:innen, Schulen, Verwaltungen, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Wir entwickeln gemeinsam mit Partnern Umsetzungsstrategien und dokumentieren nicht nur die Ergebnisse, sondern auch den Weg dorthin. Damit bündeln wir Wissen über erfolgreiche Veränderungsprozesse im deutschen Schulsystem und schaffen Resonanzräume, in denen das System selbst lernt, fortlaufend den Wandel zu gestalten. Das ist, gerade in diesen Zeiten, auch wichtig für die Demokratie. Denn wenn die Menschen sehen, dass die Bildung als ein gesellschaftlicher Eckpfeiler zur Veränderung fähig ist, kehren Vertrauen und Zuversicht zurück. Um diesen Effekt zu verstärken, werden wir gelingende Veränderung mit dem Change Learning Award auszeichnen – nicht einzelne Personen oder Institutionen, sondern Verantwortungsgemeinschaften aus Akteuren, die bereit sind, den Aufbruch zu wagen und einen neuen Kurs einzuschlagen.
Unser Ziel ist es nicht, diese Prozesse dauerhaft zu begleiten. Im Gegenteil: Unser Ziel ist erreicht, wenn unser Projekt nicht mehr nötig ist. Change Learning soll dazu beitragen, dass das Schulsystem selbst Veränderung lernt. Nur so kann der nachhaltige Wandel auf allen Ebenen gelingen und die Erfolgsfaktoren hervorbringen, die wir für eine moderne Bildung brauchen. Die Zeit ist reif, vom Wissen ins Handeln zu kommen.
Dieser Beitrag ist erstmals bei Bildung.Table in der Ausgabe vom 24.10.2025 erschienen.
 
 
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